Grundsätze für eine erfolgreiche Inventur
Grundlegende Definition
- Inventurhandlung ist die Tätigkeit des Messens, Zählens, Wiegens sowie jede andere der Bestandserfassung dienende Tätigkeit im kaufmännischen Bereich.
- Inventur ist die Gesamtheit aller einzelnen Inventurhandlungen
- Inventurstichtag ist der kalendermäßig definierte Tag, an dem eine Inventuraufnahme durchzuführen ist.
- Stichtagsinventur ist jede am Inventurstichtag vorgenommene Inventurhandlung.
- Eine verlegte Inventur wird bis zu maximal drei Monate vor oder zwei Monate nach dem Inventurstichtag durchgeführt.
Aufgaben der Inventur
Zu Beginn des Handelsgewerbes sowie am Ende jedes Geschäftsjahres muss der Kaufmann eine Inventur durchführen. Aus deren Ergebnissen ist ein Inventar aufzustellen, das wiederum die zahlenmäßige Grundlage für die Eröffnungsbilanz beziehungsweise für das folgende Geschäftsjahr liefert. Inventuren bilden somit die Grundlage für den Jahresabschluss.
Inventurgrundsätze
- Grundsatz der Vollständigkeit: sämtliche Vermögensgegenstände/Schulden sind im Inventar zu verzeichnen.
- Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit: Gefordert wird eine nachprüfbare Richtigkeit der Inventurdurchführung, wobei der Aufwand für die Feststellung von Mengen und Preisen wirtschaftlich vertretbar sein muss.
- Grundsatz der Nachprüfbarkeit und Dokumentation: die Inventur muss auf eine Art und Weise erstellt sein, dass ein sachverständiger Dritter den Bilanzansatz überprüfen kann.
- Grundsatz der Einzelerfassung: nach § 252, Abs. 1 Nr. 3, HGB, müssen bei Inventuren Vermögensgegenstände und Schulden einzeln erfasst und bewertet werden
Inventurzeitpunkt:
Die Wahl des Zeitpunktes der Inventurdurchführung ist in § 240, Abs.1 und 2, HGB geregelt. Allgemein hat sie an einem Inventurstichtag stattzufinden. Abhängig vom Zeitpunkt der Inventuraufnahme unterscheidet man zwischen Stichtagsinventur, permanenter und verlegter Inventur.
Stichtagsinventur
Die Inventur erfolgt zum Inventurstichtag. Die Inventuraufnahme muss aber nicht exakt am Inventurstichtag vorgenommen werden, sondern lediglich zeitnah, das heißt innerhalb einer Frist von zehn Tagen vor oder nach dem Stichtag. Dabei muss sichergestellt sein, dass Bestandsveränderungen zwischen dem Bilanzstichtag und dem eigentlichen Aufnahmetag anhand von Belegen und Aufzeichnungen ordnungsgemäß berücksichtigt werden.
Vorteile:
- stichtagsbezogene Gesamtkontrolle
- optimale Kontrolle der Buchführung und der Lagerverwaltung
- in der Regel Betriebsschließung bzw. Produktionsunterbrechung, was die Durchführung erleichtert
Nachteile:
- hoher Personalaufwand
- Betriebsschließung während der Inventuraufnahme und somit kein Umsatz bzw. Ertrag
- hoher Zeitdruck, wodurch mehr Fehler möglich sind
- keine Flexibilität bzgl. der Aufnahmezeit: keine Möglichkeit, die Aufnahme in Zeiten mit niedrigen Beständen zu legen.
(Vor-/nach-)verlegte Inventur
Nach §241 Abs. 3, HGB, kann die jährliche Inventur innerhalb der letzten drei Monate vor dem Bilanzstichtag oder der ersten zwei Monate nach dem Stichtag durchgeführt werden. Der dabei festgestellte Bestand muss wertmäßig auf den Bilanzstichtag fortgeschrieben oder zurückgerechnet werden.
Ausnahme:
Vermögensgegenstände mit hohem Wert, hohem Schwund oder Vermögensgegenstände, die starken Preisschwankungen unterliegen, sollten möglichst nahe am Stichtag aufgenommen werden. Dasselbe gilt für Vermögensgegenstände, für die bestimmte steuerliche Vergünstigungen in Anspruch genommen werden.
Vorteile:
- Die Aufnahme kann nach und nach mit sachkundigem Personal durchgeführt werden.
- Die Inventuraufnahme kann sich betrieblichen Besonderheiten anpassen (niedrige Bestände).
- Die Inventur kann auf einen Zeitpunkt innerhalb von fünf Monaten verteilt werden.
- Die Bestandsfortschreibung ist im Vergleich zur permanenten Inventur einfacher und sicherer.
- Mehr Zeit für die Analyse von Inventurdifferenzen (bei vorverlagerter Inventur).
Nachteile:
- Wertfortschreibung und Wertrückrechnung sind zusätzliche Fehlerquellen.
- Mehr Arbeit durch Abstimmung von Bilanz- und Inventurstichtag.
Permanente Inventur
Aufgrund des §241, Abs.2, HGB, kann das Inventar für den Bilanzstichtag auch ganz oder teilweise aufgrund einer permanenten Inventur erstellt werden. Dabei können die einzelnen Inventurhandlungen aufs ganze Jahr verteilt stattfinden und ersetzen damit eine auf einen bestimmten Inventurstichtag festgelegte Aufnahme. Der Zeitpunkt der Bestandsaufnahme und die Inventurerstellung zum Bilanzstichtag aus der Lagerbuchführung/Warenwirtschaft fallen somit nicht zusammen.
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein (H 30 EstR):
- In den Lagerbüchern bzw. im Computer müssen alle Bestände sowie alle Zugänge und Abgänge einzeln nach Tag, Art und Menge eingetragen werden und belegmäßig nachgewiesen werden.
- Mindestens einmal pro Geschäftsjahr muss durch eine körperliche Inventur geprüft werden, ob das in den Lagerbüchern oder im Computer (Warenwirtschaft) ausgewiesene Vorratsvermögen mit den tatsächlich vorhandenen Beständen übereinstimmt.
- Über die Inventuraufnahme und das Inventurergebnis sind Aufzeichnungen anzufertigen. Diese Aufzeichnungen müssen zehn Jahre aufbewahrt werden.
Ausnahmen:
Vermögensgegenstände mit hohem Schwund, hohem Wert oder erfahrungsgemäß hohen Mengendifferenzen sollten nicht durch eine permanente Inventur erfasst werden.
Vorteile:
- Der Aufnahmezeitpunkt ist frei wählbar.
- Aufnahmearbeiten lassen sich auf das gesamte Jahr verteilen.
- Kein so großer Zeitdruck, dadurch bessere Ergebnisse.
- Bei der Aufnahme kann qualifizierteres Personal eingesetzt werden.
- Bestandsaufnahme kann bei niedrigen Beständen durchgeführt werden.
- Betriebliche Prozesse werden nicht so stark gestört.
Nachteile:
- Voraussetzung ist eine ordnungsgemäße Lagerbuchführung bzw. Warenwirtschaft
- Fehler in der Handhabung der Warenwirtschaft wirken sich direkt auf das Inventurergebnis aus.
- Keine stichtagsbezogene Gesamtkontrolle.
- Nicht für alle Bestände anwendbar.
- Eine genaue, eindeutige Abgrenzung der zu erfassenden Bestände ist oft nicht möglich.